Vom Scheitern

Autorenleben

»Ich bin nicht gescheitert. Ich habe 10.000 Wege entdeckt, die nicht funktioniert haben.«
Thomas Alva Edison

Wir alle scheitern. Ständig. Auch wenn wir es nicht gerne zugeben. Es gibt zahlreiche Zitate (wie das obige von Edison), die vom Nutzen des Scheiterns sprechen, die uns sagen: Kopf hoch! Scheitern gehört zum Leben dazu. Und natürlich haben diese Zitate recht, niemand hat ständig nur Erfolg – auch wenn manche (Online-)Auftritte uns das weismachen wollen. Und auch wenn Scheitern zum Leben dazugehört: Niemand gibt  gerne zu, eine Aufgabe nicht bewältigen zu können. Denn, wie Stefanie Kara und Claudia Wüstenhagen in ihrem Artikel Die Kunst des Scheiterns* so treffend formulieren: »Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der Menschen an ihren Erfolgen gemessen und für ihre Niederlagen verurteilt werden. In kaum einem anderen Land der Welt werden Misserfolge so sehr geächtet wie hier.«

Nur, wer leistet, ist etwas wert. Nur, wer sein Leben nicht nur auf die Reihe bekommt, sondern Außergewöhnliches schafft, hat sich Anerkennung verdient. Wer ständig gestresst ist, von Termin zu Termin hetzt, unglaublich beschäftigt wirkt und in Arbeit versinkt, scheint etwas richtig zu machen – zumindest, wenn man den Kommentarspalten einschlägiger Onlinezeitungen glaubt. Und wer finanziell, physisch, psychisch oder in einem beliebigen anderen Bereich abgehängt wird … tja, selbst schuld.

Davon können Autoren noch einmal ein besonderes Lied singen. Wer nicht vom Schreiben lebt, gilt lediglich als Hobby-Schriftsteller, nicht als »richtiger Autor». Anerkennung? Fehlanzeige.

Aber sind wir tatsächlich gescheitert, nur weil sich das frisch veröffentlichte Werk nicht so verkauft, wie wir es gerne hätten? Weil sich irgendeine fremde Person bemüßigt fühlt, eine 1-Sterne-Rezension bei Amazon zu veröffentlichen und uns rät, doch lieber einen anständigen Beruf zu ergreifen und die Leser in Zukunft von unserem Geschreibsel zu verschonen? Weil wir vielleicht nicht den Erfolg haben, den wir uns wünschen?

Als Autoren brauchen wir ein äußerst dickes Fell. Nicht nur im Umgang mit Kritik oder ausbleibendem Erfolg, sondern auch in Bezug auf unsere tägliche Arbeit. Wir scheitern ständig. Ob uns die richtigen Worte fehlen, uns die Szene, an der wir nun schon drei Wochen schreiben, einfach nicht gelingen will, ob  die Figur nicht das macht, was sie soll, ob wir uns in der Geschichte verirrt haben und nach 250 geschriebenen Seiten entnervt aufgeben, ob ein dummer Kommentar aus unserem Familien- oder Bekanntenkreis uns trifft oder ob mal wieder ein Ablehnungsschreiben von einer Agentur oder einem Verlag eintrudelt – zu scheitern ist geradezu unser Alltag.

Ist das nun Grund zur Verzweiflung? Ich denke nicht. Denn eines haben all diese Zitate über das Scheitern gemein: Sie alle zeigen, dass zu scheitern nicht das Ende ist. Ja, es ist ärgerlich. Ja, es ist nervig. Ja, es ist furchtbar blöd und wir fühlen uns unzulänglich – vor allem, weil uns in den Sozialen Netzwerken ständig die Erfolge unserer Mitmenschen  und Kollegen unter die Nase gerieben werden.

»Habe heute 10.000 Wörter geschrieben! Yay!«
»Verlag XYZ will meine Buchreihe veröffentlichen. Habe gerade den Vertrag für drei Bücher unterschrieben!«
»Ich habe 1000 Ideen für neue Geschichten – und ich liebe sie alle!«
»Juhu, mein Buch ist auf Platz 10 der Bestsellerliste!«

Solche oder ähnliche Meldungen werden uns tagtäglich in die Timeline gespült. Von vielen Autoren habe ich schon gehört, dass sie sich zwar einerseits für die Kollegen freuen, sich jedoch anderseits unter Druck gesetzt fühlen – oder schlimmer noch – glauben, dass sie keine guten oder keine »richtigen« Autoren seien, weil sie noch nichts veröffentlicht haben, weil sie nicht jeden Tag schreiben (können oder wollen), weil sie nicht sechs Bücher pro Jahr veröffentlichen oder bereits mehrfach ein Nein von Agenturen oder Verlagen erhalten haben.

Es heißt ja immer, man solle aufhören, sich mit anderen zu vergleichen. Ich bin nicht sicher, ob das überhaupt möglich ist. Auch wenn wir es uns fest vornehmen, letztendlich tun wir es ja doch. Da ist immer jemand, der besser aussieht, fleißiger oder erfolgreicher ist, mehr und besser schreibt, mehr verdient … Vielleicht ist es aber auch gar nicht nötig, das Sich-Vergleichen einzustellen, sondern sich zu sagen: »Hey, Autor X hat gerade ein tolles Erfolgserlebnis und ich freue mich für ihn. Das möchte ich auch. Was muss ich dafür tun?«

Und sich auch bewusst machen, dass eben nicht alles Gold ist, was glänzt. Der Verlagsvertrag kann in Stress ausarten, weil man plötzlich von Fremden festgesetzte Fristen einhalten muss. Das Buch kann sich nicht so gut verkaufen, wie gedacht, und vom Verlag nicht mehr nachgedruckt werden. Die 10.000 geschriebenen Wörter können der größte Murks sein, Stunden in der Überarbeitung verschlingen oder gar ganz aus dem Manuskript herausfliegen. Nicht, dass wir das irgendwem wünschen. Aber solche Gedanken helfen uns, zu verinnerlichen, dass Erfolg relativ ist. Er ist das, was du daraus machst.

Besonders extrem wird der Vergleich untereinander für uns Autoren im November, wenn sich hunderttausende Schriftsteller weltweit wieder am NaNoWriMo, dem National Novel Writing Month teilnehmen, in dem es gilt, 50.000 Wörter in dreißig Tagen zu schreiben. 50.000 Wörter in dreißig Tagen? Das sind 1.667 Wörter am Tag. Dreißig Tage lang. Das ist eine ganze Menge. Und es kann sehr frustrierend sein, wenn man seine Kollegen an sich vorbeiziehen sieht und sich selbst fühlt wie eine Schnecke auf Glatteis. Es gibt Autoren, die schaffen dieses Pensum innerhalb von drei Tagen. Es gibt die gemächlichen Schreiber, die pünktlich am 30. November (um kurz vor Mitternacht) das Ziel erreichen (Hier, ich! 👋). Und dann gibt es diejenigen, die es sich fest vornehmen und trotzdem nach wenigen hundert Wörtern aufgeben. Weil die Geschichte nicht so funktioniert, wie sie soll, oder einem das Leben dazwischenfunkt.

Wenn ich den NaNoWriMo nicht bezwinge, bin ich dann gescheitert? Nicht doch. Der Wordcount sagt letztendlich gar nichts über die Qualität eines Textes aus. Wie heißt es auf Kölsch so schön? Jede Jeck is anders. Es gibt Viel- und Wenigschreiber. Autoren, die ein Buch pro Monat schreiben und andere, die mehrere Jahre für eine Kurzgeschichte benötigen. Autoren, die das Wettkampf-Feeling lieben, das der NaNo mit sich bringt, und Autoren, die mit Wörterzählen so gar nichts anfangen können. Und all das ist in Ordnung. Egal, wie du als Autor arbeitest – erlaubt ist, was für dich funktioniert. Und auch dann, wenn du deinen Weg noch nicht gefunden hast, dich noch ausprobierst: Das sagt rein gar nichts darüber aus, wie erfolgreich du als Autor warst, bist oder sein wirst.

Denn, sind wir mal ehrlich: Wer entscheidet, wer oder was erfolgreich ist? Für den einen ist es ein Erfolg, wenn er es schafft, einmal im Monat ein paar Wörter zu Papier zu bringen. Und für den anderen ist die oberste Sprosse der Erfolgsleiter auch nach zehn Bestsellern noch nicht erreicht.

So oder so, du wirst deinen Weg gehen. Selbst, wenn du irgendwann entscheiden solltest, dass dir das Schreiben keinen Spaß mehr macht und du es aufgibst: Dann bist du kein gescheiterter Autor. Dann bist du einfach nur ein Mensch, der sein Interesse und seine Prioritäten auf andere Aktivitäten richtest. Und das ist doch nun wirklich kein Grund, sich schlecht zu fühlen. (Obwohl auch das natürlich erlaubt ist, denn vermeintliches Scheitern tut weh – keine Frage.)

Autor sein bedeutet scheitern lernen. Ich wünsche mir, dass wir mit unseren Misserfolgen ebenso offen umgehen wie mit unseren Erfolgen. Wir sind keine Maschinen. Scheitern ist etwas, das uns menschlich macht.

Vielleicht sollten wir es mit Winston Churchill halten, der sagte: »Erfolg ist die Fähigkeit, von einem Misserfolg zum anderen zu gehen, ohne seine Begeisterung zu verlieren.«

Und auch über unser Scheitern sprechen, denn es ist etwas, das uns alle verbindet.

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*erschienen auf Zeit Online am 11. Juni 2013 und in Zeit Wissen Nr. 04/13. Zuletzt aufgerufen am 8.7.2019 um 13:53 Uhr.
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Ein Autor ist ein Autor ist ein Autor

Autorenleben

Alles, was du willst, ist auf der anderen Seite der Angst.
Jack Canfield

Zögerst du, dich Autor oder gar Schriftsteller zu nennen, weil du das Gefühl hast, du würdest diese Bezeichnung (noch) gar nicht verdienen? Dann ist dieser Artikel für dich. Denn wenn du schreibst, bist du Autor, auch wenn du bisher noch nichts veröffentlicht hast und/oder mit deinen Arbeiten kein Geld verdienst.

Definiere dich nicht darüber, was die Zukunft möglicherweise bringen oder auch nicht bringen mag. Die Art und Weise, wie du selbst über deine Tätigkeit denkst, wie du dich als kreativer Kopf bezeichnest, hat großen Einfluss darauf, wie du dich selbst wahrnimmst. Möglichweise ertappst du dich des Öfteren bei einem ähnlichen Gedanken wie folgt:

  • Wenn ich mein erstes Buch veröffentlicht habe, dann habe ich das Gefühl, ein richtiger Autor zu sein.
  • Wenn ich bei einem Verlag unter Vertrag genommen wurde, dann bin ich ein richtiger Autor.
  • Wenn ich vom Schreiben leben kann, bin ich ein richtiger Autor.
  • Wenn …, dann …

Diese Liste lässt sich beliebig fortführen. Viele Jungautoren gehen davon aus, dass sich irgendwann automatisch das Gefühl einstellt, es nun »geschafft« zu haben. Doch in Wirklichkeit stellt sich dieses Empfinden bei den meisten nicht plötzlich wie von selbst ein.

Natürlich ist die Scheu groß, sich selbst eine Berufsbezeichnung zu verpassen, für die man keine nachweisbare Ausbildung gemacht hat, und sich selbst zum Kollegen von Stars am Literaturhimmel wie King, Rowling oder gar Tolkien zu ernennen. Ganz schön vermessen, nicht wahr?

Wir sind sehr gut darin, uns selbst zu degradieren. Häufig laufen wir gerade dann zu kreativen Höchstleistungen auf, wenn es darum geht, unser Licht unter einen Scheffel zu stellen. Falls wir überhaupt zu unserem kreativen Schaffen stehen und – Gott bewahre! – mit jemandem darüber sprechen müssen, bezeichnen wir uns bestenfalls als »Schreiberling« oder »Hobbyautor«. Auf den ersten Blick mögen diese Wörter nicht schlimm, vielleicht sogar niedlich klingen. Doch sie festigen eine Vorstellung von uns selbst, die wir nur schwer wieder loslassen können. Mit diesen Bezeichnungen machen wir uns selber klein. Darauf deutet schon das Suffix -ling hin. Ein Wort, das auf diese Silbe endet, kann kaum etwas Großes bezeichnen und ist häufig umgangssprachlich abwertend gemeint. Man denke nur an Däumling, Schwächling, Günstling, Lüstling, Schönling usw. Eine seltene, aber angenehme Ausnahme von dieser Regel dürfte gewiss der Liebling sein, die anderen Bezeichnungen würde man wohl eher nicht so gern in Bezug auf sich selbst hören wollen.

Sehr beliebt, um uns selbst zu sabotieren, sind auch Formulierungen wie »Ach, das sind doch bloß Fanfictions/Gedichte/Kritzeleien«, »So gut bin ich auch wieder nicht«, »Ich mache das nur als Hobby« usw. Sicherlich hast du dich bereits bei ähnlichen Gedankengängen oder Aussagen ertappt, meistens kommen sie uns jedoch ganz automatisch in den Sinn und über die Lippen. Es ist beinahe wie ein Reflex. Weil wir uns schämen, weil wir erwarten, dass uns Hohn und Spott entgegenschlagen, wenn wir uns als Autor bezeichnen, obwohl wir keine nennenswerte Veröffentlichung vorzuweisen haben. Für viele zählt nicht der Prozess, sondern lediglich das Ergebnis. Schließlich schaut uns niemand über die Schulter, wenn wir in unserer Schreibstube sitzen, um Worte ringen oder zum drölfzigsten Mal diese verdammte Szene überarbeiten, die einfach nicht so werden will, wie wir uns das vorstellen.

Doch es ist der Prozess, der ausschlaggebend ist. Das deutsche Wort Autor hat seinen Ursprung in dem lateinischen Begriff auctor, was so viel wie Urheber oder Schöpfer bedeutet, wörtlicher jedoch mit Mehrer oder Förderer übersetzt werden kann. Man versteht unter einem Autor also lediglich den Urheber eines Textes. Von Erfolg, Veröffentlichung oder dem großen Geld ist da nicht die Rede.

Noch deutlicher wird es, wenn wir uns das englische Äquivalent ansehen. Das Wort Author bezeichnet wie unser deutscher Autor den Urheber eines Textes, ebenso wie der Begriff Writer. Das ist interessant, denn im Deutschen haben wir nur ein Wort dafür. Wollten wir Writer so wörtlich wie möglich übersetzen, würden wir es vermutlich mit Schreiber oder Schreibender versuchen. Hier wird die Unterscheidung deutlich, da auf den Prozess verwiesen wird, nicht auf den veröffentlichten Artikel oder den vom Feuilleton gefeierten Roman. Es geht schlicht und einfach um die Tätigkeit des Schreibens. Wenn du also schreibst, bist du bereits ein richtiger Autor. Hier und jetzt, nicht erst wenn dieses eingetroffen oder jenes passiert ist.

Degradiere dich nicht selbst, indem du abwertende Bezeichnungen für dich und die Tätigkeit nutzt, die du liebst. Begegne ihr und dir selbst mit dem gebührenden Respekt. Du musst ja nicht gleich Visitenkarten in Tausenderauflage mit der Berufsbezeichnung Autor in Auftrag geben. (Obwohl das durchaus ein enormer Motivationsschub sein kann. Für den Anfang könntest du es ja bei zweihundertfünfzig Stück belassen 😉 )

Vielleicht hilft dir ein kleines Mantra  dabei, mehr Selbstbewusstsein in Bezug auf die Tätigkeit des Schreibens zu entwickeln. So etwas wie »Ich schreibe, also bin ich Autor« oder eine ähnliche Formulierung, die du dir wiederholt (laut!) sagst, kann dein Selbstbild verändern und dir das Selbstvertrauen geben, dich ganz selbstverständlich als Autor zu zu sehen.

Oder vielleicht traust du dich in einem Gespräch auf die Frage »Und, was machst du so?« mit »Ich schreibe« zu antworten. Oftmals sind die Gesprächspartner daran wesentlich interessierter, als man denkt. Berufe haben schließlich die meisten, seine Berufung muss man aber erst einmal finden.

Bezeichnest du dich selbst als Autor? Wenn ja: Wann hast du dich dazu entschieden? Wenn nein: Warum nicht?

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Die Macht der Worte

Autorenleben

Als Autor weißt du, dass Worten eine besondere Macht innewohnt. Sie können schmeicheln, überzeugen und informieren, aber auch verletzen. Deshalb ist es so wichtig, achtsam mit unseren Worten und letztlich auch mit unseren Gedanken umzugehen. Sie formen unsere Welt und uns selbst.

Wie wir mit Worten umgehen, sagt viel über uns selbst aus. Erwischst du dich auch des Öfteren dabei, viele negativ konnotierte Wörter in deinem Alltag zu nutzen? Es ist „blöd“, wenn uns der Bus vor der Nase wegfährt, die „nervige“ Nachbarin „tratscht“ schon wieder und der Tag auf der Arbeit war einfach nur „stressig“.

Natürlich haben wir alle mal Tage, an denen nichts so zu laufen scheint, wie wir es gerne hätten. Es geht auch gar nicht darum, solche negativen Erlebnisse zu negieren oder zu verdrängen. Wir können gar nicht alle ständig glücklich sein. Es gibt Zeiten in unser aller Leben, die wir gerne vergessen würden, mit denen wir nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollen. Letztendlich geht es darum, wie wir mit diesen kleinen wie großen Erlebnissen umgehen – was mich wieder zu den Wörter führt. Natürlich können wir sagen: „Okay, die Zeit damals war echt Mist, aber ich habe daraus das und das gelernt.“

Allein durch unsere Worte und Gedanken haben wir die Macht, vielen Geschehnissen den Schrecken zu nehmen und die kleinen Ärgernisse des Alltags vielleicht sogar in etwas Positives zu verwandeln.

Das, was für dein Leben gilt, spielt natürlich auch in Bezug auf deine Schreibtätigkeit eine Rolle. Wenn du dir tagtäglich sagst: „Ich bin nicht gut genug. Ich werde dieses Buch nie beenden. Das, was ich schreibe, ist das Schlechteste, was je geschrieben wurde“, dann setzt sich das in deinem Unterbewusstsein fest.

Seien wir mal ehrlich: Diese Gedanken kennen wir alle, sie tauchen mal mehr, mal weniger penetrant auf. Aber sie sind nicht gesund. Sie sorgen dafür, dass wir uns schlecht fühlen, dass wir unsere künstlerische Arbeit als minderwertig erachten. Das ist Gift für jede Form von Kreativität.

Aber was kannst du dagegen tun? Diese Gedanken kommen schließlich einfach so und lassen sich nicht verhindern – oder?

Wahrscheinlich ist es in der Tat nicht möglich – ja, vielleicht nicht einmal sinnvoll  -, solche negativen Gedanken völlig von uns fernzuhalten. Aber es liegt in deiner Hand zu entscheiden, wie du mit ihnen umgehen möchtest. Hier kann dir Achtsamkeit ein Wegweiser sein. Jedes Mal, wenn du deinen inneren Kritiker wieder dabei erwischst, deine Arbeit (und damit auch dich selbst) runterzumachen, halte einfach einen Moment inne. Das ist der erste Schritt, denn oft erkennen wir diese negativen Gedankenmuster gar nicht, so eingespielt sind sie schon, so sehr sind sie uns in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn du einen solchen Gedankengang bei dir feststellst, schimpfe nicht gleich wieder mit dir! „Du sollst doch nicht so schlecht von dir denken! Hör auf damit! Warum machst du dich selbst wieder klein, das ist schlecht!“ – Nein. Du kannst ganz neutral feststellen, dass du hier wieder in negative Gedankenmuster abdriftest und diesen im nächsten Schritt entgegensteuern.

Eine erste Hilfe leisten dabei Relativierungen. Wenn du ganz ehrlich bist: Du glaubst nicht wirklich, dass der Text, den du gerade schreibst, der schlechteste ist, an dem jemals ein Autor gearbeitet hat. Wenn du das wirklich glauben würdest, woher nimmst du dann die Kraft, dennoch daran weiterzuarbeiten? Falls dich also der kleine Schulterteufel zutextet und dir sagt, wie schlecht du bist, sage dir: „Okay, das, was ich bisher geschrieben habe, ist vielleicht nicht perfekt. Aber das macht nichts. Ich kann es später immer noch überarbeiten.“

Sei gut zu dir und der Arbeit, die du leistest!

Ein weiterer Schritt, die negativen Gedanken gar nicht erst die Oberhand gewinnen zu lassen, sind Affirmationen. Der Begriff stammt vom lateinischen Wort affirmatio, was so viel bedeutet wie Bejahung oder Bestätigung. Wir können Affirmationen nutzen, um negative Glaubenssätze zu überwinden, die sich in unser Unterbewusstsein eingeschlichen haben und uns in unseren Tätigkeiten einschränken, uns vielleicht sogar lähmen.

Möglicherweise kennst du mehrere dieser negativen Glaubenssätze:

Ich werde als Schriftsteller nicht erfolgreich sein, weil …

  • ich nicht gut genug bin.
  • andere viel besser sind als ich.
  • niemand an mich glaubt – auch ich selbst nicht.
  • ich faul bin.
  • ich Geschichten schreibe, die niemand lesen will.
  • sowieso niemand bereit ist, dafür Geld auszugeben.
  • ich aus Angst vor Kritik lieber erst gar nichts veröffentliche.
  • ich keine guten Ideen habe.
  • ich nicht kreativ genug bin.
  • mein Schreibstil eine Katastrophe ist.
  • meine Familie/meine Freunde meinen, ich verschwende meine Zeit.
  • ich es nicht verdiene, erfolgreich zu sein.
  • die Welt ungerecht ist.

Hast du dich in der ein oder anderen Formulierung wiedererkannt? Es gibt zahllose weitere Gedanken, die uns immer wieder zu bestätigen scheinen, warum wir nicht erfolgreich sein können. Mit diesen negativen Glaubenssätzen versichern wir uns selbst, dass – egal, was wir tun, egal, wie sehr wir uns anstrengen – der Erfolg sowieso ausbleiben wird. Es ist schon paradox, denn in dieser »Versicherung« finden wir tatsächlich Sicherheit. Wir haben Angst vor dem Aufbruch ins Unbekannte, vor einem kreativen Leben. Dies ist auch der Grund, warum so viele junge Autoren ihre schriftstellerische Tätigkeit am liebsten gleich verschweigen. Sie haben Angst vor Ablehnung, davor, unangenehme Fragen beantworten oder das Gefühl haben, sich rechtfertigen zu müssen.

Doch wir können ganz bewusst etwas gegen diese unangenehmen Gefühle tun, die sich immer wieder breitmachen und unser Licht unter den Scheffel stellen wollen, in dem wir sie identifizieren wenn sie auftauchen und sie Stück für Stück durch Affirmationen ersetzen. Gewiss erfordert das ein wenig Arbeit und auch eine Spur Disziplin. Natürlich ist es einfacher, die Negativität, die uns ab und an durchströmt einfach zu ertragen, nach dem Motto: Geht schon von selbst wieder weg. Leider stimmt das nicht immer. Jeder dieser negativen Gedanken festigt das Bild, das wir uns von uns selbst gemacht haben. Durch dieses negative Denken können Schreibblockaden entstehen, vielleicht fängt der ein oder andere aufgrund dessen gar nicht erst an zu schreiben, denn: „Es bringt ja eh nichts, weil ich nicht gut genug bin.“

Die Autorin Julia Cameron schreibt in ihrem Buch Der Weg des Künstlers* dazu: »Keiner dieser negativen Glaubenssätze muss wahr sein. Sie werden uns von unseren Eltern, unserer Religion, unserer Kultur und unseren ängstlichen Freunden eingeimpft. Jeder dieser Glaubenssätze spiegelt Vorstellungen im Hinblick darauf wider, was es bedeutet, Künstler zu sein. […] Wir müssen uns mit ihnen konfrontieren. Negative Glaubenssätze sind genau das, nämlich Glaubenssätze und keine Tatsachen.«[1]

Das ist die gute Nachricht: Es sind keine Tatsachen. Wir haben die Macht, diese Denkmuster zu durchbrechen, indem wir sie identifizieren und durch Affirmationen ersetzen. Wie geht das nun? Gehe in einen Dialog mit dir selbst und betrachte dich und deine Arbeit wohlwollend. Was verdienst du wirklich an Anerkennung? Wie möchtest du dich selbst sehen, wie möchtest du von außen wahrgenommen werden?

Mögliche Affirmationen sind z. B.:

  • Ich verdiene es, mit meinen Texten erfolgreich zu sein.
  • Ich habe ein kreatives Talent.
  • Ich habe großartige Ideen.
  • Ich bin ein grandioser und produktiver Schriftsteller.

Die Arbeit mit diesen positiven Glaubenssätzen mag dir zunächst banal erscheinen, vielleicht ist es dir sogar peinlich. Wir tun uns häufig schwer damit, positiv von uns selbst zu sprechen, sind viel eher in der Lage, unsere vermeintlichen Schwächen zu definieren. Wenn du deine persönlichen Affirmationen gefunden hast, wird sich garantiert wieder der innere Kritiker zu Wort melden. Eigenlob mag er nämlich gar nicht – („Eigenlob stinkt“ ist auch so ein negativer Glaubenssatz, der uns bereits in der Kindheit eingebläut wird).

Dieser innere Kritiker wird alles daran setzen, unsere neuen Affirmationen zu widerlegen. Häufig wird er dabei gemein, geradezu bösartig: »Du hast doch keine Ahnung! Glaubst du den Quatsch wirklich? Das bringt doch alles nichts! Du beherrscht doch nicht einmal die Rechtschreibung!«

Notiere dir all diese Gemeinheiten und stelle dir die Frage: Woher kommen sie? Mit wessen Stimme spricht dein innerer Kritiker? Vielleicht kennst du sie? Ist es die Stimme eines Elternteils oder möglicherweise eines (ehemaligen) Lehrers? Mache eine Reise in deine Vergangenheit, in deine Erfahrungen. Möglicherweise wurden diese Worte nie laut ausgesprochen, aber du verbindest ein Gefühl von Peinlichkeit, Scham oder Ablehnung mit ihnen. Wenn du ergründest, wo diese negativen Überzeugungen herkommen, kannst du dich ihnen entgegenstellen und mit deinem neuen, positiven Denken und einem wohwollenden Selbstbild zu arbeiten beginnen.

Der Autor von Miracle Morning*, Hal Elrod, empfiehlt, die persönlichen Affirmationen ganz bewusst zu gestalten, so dass sie mit dem übereinstimmen, was du erreichen möchtest. Nur so kannst du sicher sein, nicht wieder fremde Glaubenssätze zu übernehmen. Frage dich: Was wünsche ich mir? Wie soll mein Leben aussehen? (Das gilt im übrigen nicht nur für die schriftstellerische oder kreative Tätigkeit. Diese Fragen kannst du dir für alle Bereiche deines Lebens stellen – Beziehung, Job, Finanzen, Fitness, Familie etc. – und für jeden Bereich gesondert Affirmationen erstellen.

Genauso wie die negativen Glaubenssätze sind Affirmationen nicht in Stein gemeißelt. Du kannst sie jederzeit anpassen, ersetzen oder verwerfen.

Nun hast du also eine ganze Liste von Affirmationen – vielleicht aber auch nur eine zu einem Bereich, der dir besonders am Herzen liegt. Was nun damit anfangen? Irgendwo vergessen in einer Schreibtischschublade sind sie wenig hilfreich. »Diese Affirmationen sollten Sie täglich wiederholen und am besten laut aussprechen. Ganz allmählich werden sie die Art, wie Sie denken und fühlen, verändern, und Sie können einschränkende Glaubenssätze und Verhaltensweisen überwinden und durch solche ersetzen, die Ihnen Erfolg bescheren werden«[2], schreibt Elrod.

Klingt erst einmal schräg, oder? Es kostet einige Überwindung, laut mit sich selbst zu sprechen. Selbst wenn man alleine ist, kommt man sich unglaublich dämlich dabei vor. Irgendwann geht es dir jedoch in Fleisch und Blut über. Und nach ein paar Wochen oder Monaten, in denen du deine Affirmationen immer wieder verinnerlicht hast, wird der entsprechende negative Gedanke ersetzt werden. Trau dir zu, deine Ängste und schlechten Angewohnheiten abstellen und in etwas Positives umwandeln zu können. Was hast du zu verlieren?

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[1] Cameron, Julia: Der Weg des Künstlers* (2009), S. 66.
[2] Elrod, Hal: Miracle Morning* (2016), S. 92.

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Herzlich willkommen auf dem Blog der Texteule!

Blog

»Schreiben ist Tanzen mit Worten.«

So habe ich es in einem Schreibkurs im Studium einmal ausgedrückt. Und genauso würde ich es heute auch noch bezeichnen. Sprache folgt einem bestimmten Rhythmus, kann wohlklingend sein und dazu verleiten, sich im Takt zu bewegen, oder so misstönend, dass man andauernd darüber stolpert. Sicherlich kennst du das Gefühl, wenn plötzlich dein Lieblingslied aus den Boxen dröhnt, du die Augen schließt, dein Herz im Takt mit der Musik zu schlagen beginnt und du gar nicht anders kannst, als dich ganz den Noten hinzugeben. So ähnlich kann es auch beim Schreiben sein, wenn wir den sogenannten Flow erreichen, einen Zustand, in dem wir uns selbst und alles andere um uns herum vergessen und ganz und gar in unserer kreativen Tätigkeit aufgehen. In diesem Moment fliegen unsere Finger über die Tasten, ein Gedanke folgt auf den nächsten, mit großer Wahrscheinlichkeit liegt sogar ein Lächeln auf unseren Lippen.

Und dann gibt es diese Tage, an denen wir um jedes Wort ringen, an denen es sich anfühlt, als wäre unser Gehirn nicht mehr in der Lage, die Leichtigkeit zu rekonstruieren, mit der wir uns gestern noch mit den Worten vergnügt haben. Das ist ärgerlich, ja, aber auch völlig normal. So wie jeder Profitänzer schlechte Tage hat, an denen ihm die Schrittfolge einfach nicht gelingen will, so geht es auch uns Autoren. Dann helfen Übung, Durchhaltevermögen und Disziplin, um wieder in unseren (Schreib-)Rhythmus zu finden.

Schreiben ist keine exakte Disziplin, deren Regeln man einmal lernt und dann beherrscht. Man kann intuitiv vieles richtig machen und mit viel gelerntem Wissen auch genauso vieles falsch. Wobei es die Kategorien Richtig und Falsch beim Schreiben eigentlich gar nicht nicht gibt. Erlaubt ist, was (dir und dem Leser) gefällt. Regeln kann man lernen, sie lassen sich aber beugen oder – gewusst wie – auch brechen. Es wird in diesem Blog daher keine allgemeingültigen Schreibregeln geben, nichts, von dem ich behaupten werde, dass du es in dieser Art und Weise machen musst oder keinesfalls so machen darfst. Ich möchte Hilfestellung bieten und zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Schreiben anregen und keine Regeln aufstellen.

Ich hoffe, dass du hier hilfreiche Tipps für dein Autorenleben und dein Schreiben finden kannst. Ich werde jedenfalls mein Bestes geben, um dir abwechslungsreiche Artikel zu bieten, die hoffentlich den ein oder anderen Aha-Effekt für dich bereithalten. Sehr gerne kannst du mir per Mail oder über die Kommentarfunktion auch Artikelthemen vorschlagen, die dich umtreiben und interessieren, über die du noch nicht so viel gefunden hast und lesen konntest, wie du es gerne würdest. Wenn es mir möglich ist und es sich anbietet, werde ich sehr gerne darauf eingehen.

Ich freue mich auf deinen nächsten Besuch! Im nächsten Artikel geht es um die Macht der Worte.

Bis dahin
deine

Unterschrift

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